Carole Reckinger arbeitet als Referentin für Sozialpolitik bei Caritas Luxemburg
Tomatenfelder soweit das Auge reicht. Bei glühender Hitze schuften Männer bis zu 12 Stunden am Tag und füllen riesige Kisten mit Tomaten. Der Preis für die Ernte: 3,50 Euro für eine 300 Kilogramm schwere Kiste. 5,50 Euro für 300 Kilogramm Kirschtomaten. Selbst wenn man mit Höchstgeschwindigkeit arbeitet, ist es schwer, mehr als 30 Euro am Tag zu verdienen – und das ohne Arbeitsverträge oder Krankenversicherung. Die Kosten variieren, aber im Durchschnitt müssen die Arbeiter zusätzlich etwa drei Euro für den Transport zu und von den Feldern zahlen. Für das Mittagessen – Sandwich und Wasser – wird oft automatisch drei bis vier Euro berechnet und vom Gehalt abgezogen.
Dies ist kein Beispiel aus irgendeinem Entwicklungsland, sondern Realität mitten in der Europäischen Union. Die größten Tomatenfelder Italiens liegen im Stiefelabsatz. Auf Reiseblogs wird mit fjordartigen Buchten, märchenhaften Städten und unentdeckten Schätzen für Apulien geworben. Touristen verirren sich aber selten in die Tomatenfelder außerhalb von Foggia. Italien ist ein weltweit führender Hersteller von verarbeiteten Tomaten. 2020 wurden in Italien über 5.000.000 Tonnen Tomaten produziert.1
Die Preise für Tomatenverarbeitungsunternehmen, die aus rohen Früchten Konzentrate, Saucen und Ketchups herstellen, werden ständig gedrückt. Diese Verarbeiter passen die Preise, die sie an die Landwirte zahlen, wiederum immer neu an, um ihre Gewinnspanne aufrechtzuerhalten. Eine kürzlich durchgeführte Kampagne für „faire Preise“ (gestartet von der Umweltschutzorganisation Legambiente und dem ethischen italienischen Supermarkt NaturaSì) hat gezeigt, wie tief die Preise gefallen sind: Die Landwirte erhalten etwa 7,5 Cent für ein Kilo Tomaten in Italien.2
Moderne Sklaverei Die Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigranten in Italien – hauptsächlich Afrikaner – sind seit Jahren ein offenes Geheimnis. Im italienischen Süden sind die Gehälter ausländischer Landarbeiter so niedrig, dass viele NGOs die geleistete Arbeit als moderne Form der Sklaverei beschreiben. Einige haben eine italienische Aufenthaltserlaubnis, viele jedoch nicht. 2020 sind mehr als 34.000 Flüchtlinge und Migranten mit Booten in Süditalien angekommen. Das sind weit weniger als die über 180.000 Menschen, die 2016 nach Italien geflüchtet sind3 – aber dennoch deutlich mehr, als es 2019 nach Italien geschafft haben.
Wegen der Überlastung des Systems kann es Jahre dauern, bis ein Asylantrag bearbeitet wird. In den Aufnahmezentren für Flüchtlinge gibt es nur begrenzt Plätze, und die meisten Migranten leben auch während ihrer Asylprozedur außerhalb dieser Einrichtungen. Von den über 43.000 Asylanträgen 2019 wurden 81 % abgelehnt.4 Selten allerdings werden abgelehnte Asylanten abgeschoben. Die meisten bekommen ein Schreiben, welches sie auffordert, in X Tagen das Land zu verlassen. Die größten Aufnahmezentren für Migranten befinden sich fast alle im Süden, wo Mafia-Organisationen die größte Kontrolle ausüben und die Landwirtschaft eine ständige Versorgung mit billigen Arbeitskräften erfordert. Verzweifelt auf der Suche nach Arbeit würden diese Tagelöhner jeden Job annehmen, selbst wenn die Löhne für die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden viel zu niedrig sind. Arbeiter ohne Papiere befinden sich außerhalb des Gesetzes, sodass sie keinen Schutz erwarten können.
Inzwischen macht die Landwirtschaft schätzungsweise 15 % des Gesamteinkommens der Mafia aus.
Obwohl keine offiziellen Daten zur illegalen landwirtschaftlichen Arbeit zur Verfügung stehen, schätzt die größte italienische Gewerkschaft der Landarbeiter (FLAI-CGIL), dass zwischen 400.000 und 430.000 Arbeitnehmer in diesem Sektor einen irregulären Visastatus haben und anfällig für Ausbeutung und Missbrauch sind.5 Der Global Slavery Index nimmt an, dass es etwa 50.000 versklavte Landarbeiter in Italien gibt (insgesamt wären 145.000 Menschen versklavt, u. a. im Bereich der Prostitution und Haushaltshilfe).6
Afrikanische Migranten kommen normalerweise mit hohen Schulden nach Italien, nachdem sie sich Geld geliehen haben, um ihre Reise nach Europa zu finanzieren. Sie kennen oft niemanden, wenn sie ihr Ziel erreichen, und haben niemanden, an den sie sich bei Schwierigkeiten wenden können. Nur wenige offenbaren den Verwandten zu Hause die verzweifelte Situation, in der sie sich befinden. Um zu überleben, migrieren die Arbeiter oft von einer Arbeitsmöglichkeit zur nächsten. Nach einem Winter in Kalabrien, wo Orangen und Kiwis gepflückt werden, fahren sie im Frühling in den Norden nach Kampanien, um Erdbeeren und Melonen zu ernten. Im Sommer geht es weiter nach Apulien, um Tomaten und Paprika zu pflücken, bevor sie im Frühherbst zur Traubenernte nach Venetien oder ins Piemont ziehen.
Das italienische Agromafia-Observatorium, eine Organisation, welche kriminelle Eingriffe in die Lebensmittelkette analysiert, schätzt, dass der Wert des Lebensmittelgeschäfts für die organisierte Kriminalität im Jahr 2018 um 12,4 % gestiegen ist, um nun auf eine Summe von 24,5 Milliarden Euro zu kommen. Das Observatorium schätzt, dass die Landwirtschaft inzwischen 15 % des Gesamteinkommens der Mafia ausmacht.7
Um dem coronabedingten Arbeitskräftemangel zu begegnen, hat Italien, so wie Spanien, Maßnahmen eingeführt, die es Migranten vorerst ermöglichen, offiziell im Agrarsektor zu arbeiten. Es besteht jedoch die Sorge, dass dies zu einer noch stärkeren Ausbeutung durch die Mafia führen könnte. Die italienische Regierung und verschiedene Arbeitsrechtgruppen warnen, dass dieses System der modernen Sklaverei wahrscheinlich zunehmen wird, da die Ausgangssperren wegen COVID-19 zu einem chronischen Arbeitskräftemangel geführt haben.8
Die Absurdität der Globalisierung Die Absurdität der ganzen Geschichte ist, dass viele westafrikanische Männer, die auf den italienischen Tomatenfeldern arbeiten, selbst aus Familien stammen, die früher vom Tomatenhandel gelebt haben. Noch vor 20 Jahren war der Tomatenanbau in Ghana weit verbreitet. Jeder Landwirt baute ein paar Hektar Tomaten an, in der Gewissheit, sie zu einem guten Preis verkaufen zu können. Heute will niemand in Ghana mehr frische Tomaten kaufen. Aus Italien und China importierte Dosen sind viel billiger. Ab dem Jahr 2000 hat die Regierung die Einfuhrzölle für bestimmte Produkte, einschließlich Tomatenmark, gesenkt und somit mittelfristig eine Flut ausländischer Produkte auf den lokalen Märkten verursacht. Die Food and Agriculture Organization (FAO) hat von 1998 bis 2003 einen Anstieg der Tomatenpasten-Importe um 650 % berechnet. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil ghanaischer Tomaten auf dem lokalen Markt von 92 % auf 57 % gesunken.9 Sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge aus Ghana pflücken jetzt zu einem Hungerlohn Tomaten in Italien, die wiederrum zu Tomatenmark verarbeitet nach Ghana verkauft werden, wo sie die lokalen Märkte weiter kaputt machen.
Vor kurzem haben europäische Medien berichtet, dass viele verarbeitete Tomaten, die als Tomatenprodukte aus Italien gekennzeichnet und beworben werden, tatsächlich aus China stammen. Hier verdienen die Arbeiter und Bauern noch weniger – in China erhalten die Bauern teilweise nur einen Cent pro Kilogramm Tomaten.10
Lösungen? Zertifizierungssysteme, die bestätigen, dass Produkte nicht aus Sklaverei stammen, sind Teil der Lösung.Allerdings ist die Rückverfolgbarkeit bei Produkten aus der Dose schwierig, und bei losen Früchten oft noch schwieriger. In Italien kommt das Problem hinzu, dass die Branche in großen Teilen von der Mafia kontrolliert wird. Fairtrade-Produkte zertifizieren fair gehandelte Produkte aus nicht EU-Ländern. Es gibt verschiedene Initiativen, um Zertifizierungssysteme für faire Arbeitsbedingungen auch in der EU einzuführen, bis jetzt hat sich allerdings noch keines wirklich durchsetzen können – im Gegensatz etwa zu Biolabels. Ein Beispiel aus den USA zeigt aber, dass Druck von Arbeitern und Konsumenten zu Verbesserungen führen kann. Floridas Tomatenfelder wurden Anfang der 2000er Jahre von einem Staatsanwalt der US-Regierung zum „ground zero for modern day slavery“ erklärt. Ähnlich wie in Italien wurden in Florida Landarbeiter misshandelt und sogar gegen ihren Willen festgehalten und gezwungen, auf den Feldern zu arbeiten. Ende 2010 wurde ein Wendepunkt erreicht. Die Coalition of Immokalee Workers, eine Gruppe von Landarbeitern, hat die Öffentlichkeit auf das Problem des Missbrauchs durch Lebensmittelhändler und Fast-Food-Ketten aufmerksam gemacht. Da ihr Ruf bei den Verbrauchern auf dem Spiel stand, einigten sich diese Unternehmen darauf, Tomaten (und jetzt zunehmend Paprika und Erdbeeren) nur von Bauern zu kaufen, die strenge Standards unterzeichneten (Kontrolle von Arbeitsstunden und Löhnen, Einhaltung von Ruhephasen sowie Verhinderung sexueller Missbräuche und verbaler Belästigungen). Das „Fair-Food-Programm“ der Koalition schuf im Wesentlichen ein neues Modell für landwirtschaftliche Arbeit und soziale Verantwortung der Unternehmen. Alle Parteien – Arbeiter, Erzeuger und Käufer – haben davon profitiert. Tomatenpflücker in Florida werden nun besser bezahlt. Lohndiebstahl, körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe sind zurückgegangen. Gleichzeitig haben die Erzeuger eine stabilere und produktivere Belegschaft. Einzelhändler erzielten eine zuverlässigere Lieferkette und pflegten das Vertrauen zu ihren Kunden.11 Dieses Programm konnte die Menschenrechte der Landarbeiter so erfolgreich sichern, dass es von den Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und dem Programm Horizont 2020 der Europäischen Kommission anerkannt wurde. Trotz dieser Lobeshymnen gibt es bisher keine parallelen „Fair-Food-Programme“ in Europa.
Die Nachfrage nach Produkten, die in fairen Verhältnissen hergestellt wurden, wächst stetig in Europa. Die Luxemburger konsumieren im Durchschnitt für 35,60 Euro pro Jahr unter dem Label Fairtrade gehandelte Produkte.12 Mit einem Gesamtumsatz von 21,85 Millionen Euro in Luxemburg wurde eine 13-prozentige Steigerung erreicht. Relativ betrachtet belegen die Luxemburger beim Konsum von Fairtrade Produkten Platz sechs weltweit.13 Die Lösung ist nicht, keine italienischen Tomaten mehr zu kaufen, sondern mehr Transparenz und mehr Kontrolle zu fordern. Als Konsumenten dürfen und sollten wir fordern, dass unser Essen nicht nur gesund ist, sondern auch Arbeitsrecht und Menschenwürde respektiert.
https://news.italianfood.net/2020/12/09/canned-tomatoitaly-leads-the-european-ranking/ (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 26. April 2021 aufgerufen).
Interview von Sarah München (Télécran) mit Michelle Schmit.
Vor acht Jahren stürzte das Rana-Plaza-Gebäude in Bangladesch ein, Tausende Näherinnen und Näher starben. Zum Jahrestag erzählt Michelle Schmit von der Caritas Luxembourg, was sich seitdem verändert hat und warum Corona die Situation wieder verschärft.
Frau Schmit, wissen Sie, wer Ihre Kleider, die Sie gerade tragen, hergestellt hat?
Meine Hose ist von meiner Mutter und sicher schon 20 Jahre alt. Meine Bluse ist fair hergestellt, aber von einem größeren Unternehmen, da bin ich immer etwas skeptisch.
Wieso?
Viele größere Unternehmen haben ihre normalen Fast-Fashion-Kollektionen und nur eine faire Kollektion. Das ist besser als nichts. Aber da sollten die Konsumenten aufpassen. Es kann sein, dass die Marke gerade im Umbruch ist und auf faire Mode umstellt. Vielleicht gibt es diese eine Kollektion aber auch nur, weil faire Kleider gerade in sind.
Was raten Sie Verbrauchern, die bewusst und fair einkaufen wollen?
Grundsätzlich ist es gut, weniger und bessere Sachen zu kaufen und seine Kleidung zu pflegen und zu reparieren. Wenn man jetzt aufhören würde, Kleidung zu produzieren, hat man übrigens noch genug für sechs Generationen. Wenn ich etwas kaufe, überlege ich zehn Mal, ob ich etwas brauche und ob ich es mindestens zehn Mal tragen werde. Gebrauchte Kleidung ist immer eine gute Wahl, die gibt es beispielsweise bei Onlineplattformen wie Vinted oder in den lokalen Second-Hand-Läden. Wenn ich etwas nirgends gebraucht finde, schaue ich bei fairen Unternehmen, die auf Umweltschutz und Arbeitsbedingungen achten. Meist sind das kleinere, teurere Labels. Praktisch ist die App « good on you », eine Art Tripadvisor für Marken. Man sollte vor allem auf die Etiketten achten, dort steht, wo und wie das Teil hergestellt wurde. In Luxemburg gibt es immer mehr junge Menschen, die nachhaltig produzieren, zum Beispiel das faire Label Devï. Dahinter steht eine junge Frau, die mit einer Gruppe von Näherinnen aus Indien zusammenarbeitet.
Am 24. April 2013 stürzte das Rana-Plaza-Gebäude in Bangladesch ein. 1134 Menschen starben und 2500 wurden verletzt. Was hat sich seitdem verändert?
Diese Tragödie hat dazu beigetragen, dass vielen Menschen bewusst geworden ist, dass hinter jeder Bluse ein Mensch steht, der sie näht. Meist sind es Frauen, oft auch Kinder. Sie sind gestorben für so etwas Unnötiges wie Klamotten. Die Gebäude haben sich seitdem verbessert, aber Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit und der Druck von den Marken sind nicht besser geworden. Das Schlimmste war, dass danach jedes Unternehmen gesagt hat: `Nein, da produzieren wir nicht.`
Durch Corona hat sich die Situation allerdings wieder verschlimmert. Alles wurde gestoppt. Die meisten Marken haben ihre Bestellungen einfach nicht bezahlt. Die Millionen Näherinnen und Näher bekommen ohnehin nur 0,3 bis 5 Prozent des Verkaufspreis. Und jetzt ist mehr als die Hälfte von ihnen ohne Lohn. Die Existenz dieser Menschen ist bedroht, sie wissen nicht, wie sie ihr Essen bezahlen sollen.
Aber eigentlich ist es doch gut, dass die Menschen weniger kaufen und weniger produziert wird…
Einerseits ist es gut. Andererseits ist es unverständlich, dass Unternehmen, die jedes Jahr Millionen Gewinne machen, sich nicht verantwortlich fühlen und einfach nicht mehr zahlen. Es ist aber auch keine Lösung, gar nichts mehr zu kaufen. Wie soll sonst ein Land wie Bangladesch überleben? Corona ist eine gute Zeit, das gesamte System zu überdenken. Es gibt viele Menschen, die momentan ihr Konsumverhalten verändern und mehr darauf achten, was sie kaufen. Aber nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Politik müsste etwas ändern.
Inwiefern?
Wir brauchen ein Lieferkettengesetz. Es kann nicht sein, dass Unternehmen Ihre Produkte in Textilfabriken produzieren lassen, und nicht wissen, wie die Bedingungen vor Ort sind. Es geht aber nicht nur um die schlechten Arbeitsbedingungen: Die Mode-Industrie ist nach der Öl-Industrie auf Rang zwei der größten Umweltverschmutzer. Aber es ist nicht nur die Schuld der Unternehmen, denn es ist legal möglich, so zu produzieren. Und ein Unternehmen schaut meist nicht darauf, was es Gutes für den Menschen tun kann, sondern wie es den meisten Profit generieren kann. Deswegen müssen die Staaten das endlich unterbinden. Es muss genaue gesetzliche Vorgaben geben und wenn diese nicht erfüllt werden, dann müssen Strafen her.
En ce moment, les droits humains du peuple Ouïghour sont en train d’être violés. Michelle Schmit, notre chargée de travail politique nous explique qu’en plus de la détention arbitraire, de la stérilisation forcée et de la surveillance permanente, la minorité Ouïghoure est victime de travail forcé, entre autre dans les champs de coton, lequel servira à produire les vêtements que nous trouvons dans nos boutiques européennes.
Von Michelle Schmit für Tageblatt
Jedes Jahr zum Weltfrauentag hört man das Gleiche: „Ist das denn wirklich nötig?“ Dieses Jahr ist da keine Ausnahme. Und das, obwohl während der aktuellen Pandemie weltweit vor allem Frauen an vorderster Front kämpfen: Krankenschwestern, Pflegerinnen, Lehrerinnen, Ärztinnen, Hebammen, Kassiererinnen.
Weltweit ist 70% des Personals im Gesundheitswesen und in sozialen Berufen weiblich, bei den Krankenschwestern sogar 91%. In diesen Jobs ist man dem Virus direkt ausgesetzt. Nebenbei üben Frauen oft weniger gesicherte Jobs aus, als Männer. Bei einer rückgängigen Wirtschaftslage, sind Frauen also besonders von Stellenstreichungen betroffen. Außerdem sind es meist Frauen, die im informellen Sektor arbeiten. Schätzungen zufolge haben diese ArbeiterInnen allein während des ersten Monats der Pandemie 60% ihres Einkommens verloren. Hinzu kommt, dass, laut einer Studie von UN Women, Frauen im Schnitt dreimal mehr unbezahlte Arbeit leisten, als Männer. Nicht nur in Luxemburg sondern weltweit häufen sich momentan die Aufgaben, die immer noch hauptsächlich von Frauen erledigt werden: Homeschooling, Kinderbetreuung, Haushalt und die Pflege von Familienmitgliedern. All dies muss oft neben einem Vollzeitjob bewältigt werden. Diese zusätzlichen unbezahlten Aufgaben sind nicht nur körperlich anstrengend, sondern oft auch nervenzerreißend und werden meist nicht wertgeschätzt.
In Zeiten, wo das Homeoffice die neue Norm ist, können wohl viele nachvollziehen, dass man sich Zuhause nur schwer voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren kann. Vor allem mit Kindern im Homeschooling, kann die Arbeit von Zuhause aus eine richtige Herausforderung werden. Einem ganz bestimmten Arbeitssektor, der insbesondere in Indien und Bangladesch zu finden ist, geht es da ähnlich: Die „home-based garment workers“, sogenannte Heimarbeiterinnen. Es handelt sich hierbei um Frauen und junge Mädchen aus marginalisierten Gemeinschaften, die für nicht mehr als 15 Cent pro Stunde in ihrem Zuhause vorgefertigter Kleidung den letzten Schliff verpassen. Ihre Arbeit besteht vor allem aus Stickereien und dem Annähen von Knöpfen, Perlen, Pailletten oder Quasten. In Indien ist jede fünfte Heimarbeiterin unter 17 Jahre alt. 99% der Heimarbeiterinnen arbeiten ohne schriftlichen Vertrag für weniger als den staatlich festgelegten Mindestlohn und dürfen sich nicht gewerkschaftlich organisieren. Die indische Gesetzgebung definiert diese Arbeitsumstände klar als Zwangsarbeit.
Indien hat eine der größten Textilindustrien der Welt. 12,9 Millionen Menschen sind in Fabriken angestellt. Einige weitere Millionen arbeiten ohne offizielle Anstellung als Heimarbeiterinnen. Dass diese Arbeit fast ausschließlich von Frauen verrichtet wird, hat mit der patriarchalischen Annahme zu tun, dass es für sie sicherer sei, Zuhause zu arbeiten, als allein in die große weite Welt hinauszugehen. Zur gesellschaftlichen Rolle der Frau und ihrer beschränkten Bewegungsfreiheit, kommt der noch immer andauernde Trend des Outsourcings, welcher es Arbeitgebern ermöglicht, sehr niedrige Löhne und keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen und trotzdem am Ende des Tages das fertige Produkt vor sich liegen zu haben. Es handelt sich bei den Aufträgen der Heimarbeiterinnen nämlich nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, um kleine Handarbeiten nebenher. Diese Frauen arbeiten oft bis spät abends und tragen, trotz ihres niedrigen Stundenlohns, maßgeblich zum Einkommen ihres Haushalts, ihrer Gemeinschaft und der Wirtschaft ihres Landes bei. Ihre harte Arbeit bleibt allerdings für ihre Gemeinschaft, sowie für Gesetzesgeber und politische Entscheidungsträger, unsichtbar, da diese Frauen offiziell nicht als Arbeitnehmerinnen gelten. Außerdem stehen sie selbst im Bereich der Schwarzarbeit ganz unten in der Kette, da sie, isoliert in ihrem Zuhause ohne Möglichkeit sich mit anderen Heimarbeiterinnen abzusprechen, völlig ohne Verhandlungsmacht sind.
Wenn das nächste Mal also die Frage aufkommt, ob im Jahr 2021 ein Weltfrauentag immer noch notwendig ist, dann liegt die Antwort wohl auf der Hand. Der Weltfrauentag ist kein Almosen, sondern die unbedingt notwendige und längst überfällige Anerkennung, dass die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft noch immer – sogar 2021 – nicht garantiert ist. An diesem 8. März sollte jeder sich die Frage stellen, ob die Frauen in seinem Leben dieselben Menschenrechte genießen, wie man selbst. Die Gleichstellung von Mann und Frau ist ein andauernder Prozess und solange weltweite Ungerechtigkeiten weiter bestehen, brauchen wir den Weltfrauentag, um uns immer wieder daran zu erinnern.
Lettre ouverte de Caritas Luxembourg sur la situation inquiétante de la minorité ouïghoure
Le soutien des populations défavorisées et le respect de la dignité humaine sont au cœur du travail de Caritas Luxembourg et ce, tant au Luxembourg qu’au niveau international. Les conditions de travail, notamment les différentes formes de travail forcé et l’exploitation des personnes vulnérables, étant des sujets-clés de la coopération internationale, nous sommes très inquiets quant aux exactions commises à l’encontre de la minorité ouïghoure résidant à l’Ouest de la Chine.
Selon les recherches de l’Australian Strategic Policy Institue (ASPI), 82 marques[1] du secteur automobile, informatique, textile et du commerce en ligne profitent directement ou indirectement du travail forcé et de l’exploitation du peuple ouïghour. Plusieurs de ces marques sont présentes au Luxembourg où ainsi des produits issus de travail forcé sont importés et vendus.
Dans la région qui constitue l’actuel Xinjiang, le gouvernement chinois serait en train de commettre de graves violations des droits humains ciblant la population ouïghoure, ethnie turcophone et de religion musulmane installée en Asie centrale depuis plus d’un millénaire. Ces abus consistent en la détention arbitraire d’au moins 1 million de personnes dans des camps de « rééducation »[2], des assassinats ciblés, des stérilisations forcées[3] et le transfert organisé et systématique des Ouïghours vers d’autres régions de la Chine où ils travailleraient dans des usines sous des conditions dont tout indique qu’il s’agit de travail forcé.[4] Les experts des droits humains des Nations Unies se sont inquiétés du fait que « ces ‘centres’, en raison de leur caractère coercitif, constituent des centres de détention »[5] et ont pris note de « l’augmentation des pratiques de détention arbitraire, des disparitions forcées, de l’absence de contrôle judiciaire et des garanties et restrictions procédurales des…[libertés fondamentales] dans un environnement de plus en plus sécurisé, en particulier pour les minorités désignées, notamment les Ouïghours […] »[6]. En 2020, des rapports ont révélé que le travail forcé des Ouïghours a été étendu au-delà du Xinjiang, avec au moins 80 000 Ouïghours transférés dans des usines à travers la Chine où ils sont retenus sous surveillance constante et doivent suivre une « formation idéologique » pour renier leur religion et leur culture.[7]
En décembre 2020, les Etats-Unis ont interdit l’importation du coton et des tomates venant de la région Xinjiang[8]. En janvier 2021, le ministre des affaires étrangères Dominic Raab a déclaré, que le Royaume-Uni avait le « devoir moral » de prendre des mesures visant à interdire les importations et exportations liées au travail forcé des Ouïghours. Le moment serait venu pour le Luxembourg, candidat au Conseil des droits de l’homme des Nations Unies pour 2022-2024, de prendre position par rapport aux violations des droits humains. Compte tenu des engagements pris dans le Plan d’action national du Luxembourg pour la mise en œuvre des Principes directeurs des Nations Unies relatifs aux entreprises et aux droits de l’Homme, la question se pose si la continuation de l’importation de produits issus de travail forcé ne représenterait pas une incohérence à ces engagements pris. Les citoyens ont le droit de savoir s’ils achètent des produits issus du travail forcé et de toute autre pratique qui porte atteinte à la dignité humaine. Il est temps que le Luxembourg fasse suivre ses paroles par des actes.
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[1] Vicky Xiuzhong Xu, Danielle Cave, James Leibold, Kelsey Munro et Nathan Ruser, « Uyghurs for Sale : ‘Reeducation’, forced labour and surveillance beyond Xinjiang », Australian Strategic Policy Institute, 1er mars 2020, https://www.aspi.org.au/report/uyghurs-sale
[2] Adrian Zenz, z, « Wash Brains, Cleanse Hearts » : Preuves tirées de documents du gouvernement chinois sur la nature et l’étendue de la campagne d’internement extrajudiciaire du Xinjiang. Journal of Political Risk, 7(11), novembre 2019, http://www.jpolrisk.com/wash-brains-cleanse-hearts/
[4] Vicky Xiuzhong Xu, Danielle Cave, James Leibold, Kelsey Munro et Nathan Ruser, « Uyghurs for Sale: ‘Reeducation’, forced labour and surveillance beyond Xinjiang », Australian Strategic Policy Institute, 1er mars 2020, https://www.aspi.org.au/report/uyghurs-sale
[5] Déclaration des rapporteurs spéciaux et des groupes de travail des Nations unies, 12 novembre 2018,
[7] Vicky Xiuzhong Xu, Danielle Cave, James Leibold, Kelsey Munro et Nathan Ruser, « Uyghurs for Sale : ‘Reeducation’, forced labour and surveillance beyond Xinjiang », Australian Strategic Policy Institute, 1er mars 2020, https://www.aspi.org.au/report/uyghurs-sale